Gut gemeint
„Gut gemeint“ wird im Duden so erklärt: „aus einer [unerkannten] wohlwollenden Gesinnung oder guten Absicht heraus vorgebracht“. Doch sicherlich hat jeder schon mal die Erfahrung gemacht, dass nur weil etwas gut gemeint ist, es noch lange nicht gut sein muss. Klar, es gibt die „Klassiker“, die sicherlich nahezu alle Mitmenschen als „gut“ beurteilen würden. Doch dann sind da die vielen Situationen, die wir gut gemeint haben, jedoch vom Gegenüber z. B. aufgrund seines Charakters, seiner Vergangenheit, seiner Denk- und Verhaltensmuster oder Tageslaune alles andere als „gut“ bewertet werden.
Mit etwas Ehrlichkeit und Selbstreflexion wird dann schnell klar, dass mein „gut“ nicht unbedingt das „gut“ des anderen sein muss. Oder anders gesagt: Was mich freut, mir hilft, mich motiviert etc., muss nicht auf den anderen zutreffen. Gerade dann, wenn wir uns für eine Person besonders engagieren und viel Zeit, Kraft, Geduld und/oder Geld investieren, um dann am Ende festzustellen, dass das beim anderen komplett „falsch“ angekommen ist, sind Enttäuschung und Ärger vorprogrammiert.
Stellen wir allerdings fest, dass unser „gut“ und das „gut“ des anderen kompatibel sind, fühlt sich das prima an – und zwar für beide Seiten! Passenderweise stammt das Wort „kompatibel“ vom lateinischen „compati“, was soviel wie mitfühlen heißt. Und genau darum geht es im besten Sinne bei „gut gemeint“: um Empathie und darum, aus dieser Haltung heraus möglichst stimmig zu agieren. Ob durch Zuhören, das Stellen wertneutraler Fragen oder das Entwickeln maßgeschneiderter Ideen, Vorschläge und Handlungen. Entscheidend ist Passgenauigkeit – und zwar für das Gegenüber.
Dabei braucht es weder Perfektionismus noch vollkommene Selbstlosigkeit, denn das ist dann vielleicht für das Gegenüber „gut gemeint“, aber nicht uns selbst gegenüber. Der geprüfte psychologische Berater Tilo Nußschall spricht in diesem Zusammenhang vom „180 Grad-Prinzip“. Damit ist keine Angabe für die Temperatur eines Backofens gemeint, sondern steht dafür, dass jeder „nur“ seine eigenen 180 Grad beeinflussen kann. Die anderen 180 Grad sind der Spielraum des anderen. Ich kann also eine Jacke für jemanden maßschneidern, aber ob und wenn ja, wie er sie trägt ist die Sache des anderen.
Eine Null-Fehler-Quote hinsichtlich „gut gemeints“ ist wohl nur schwer zu erreichen, doch vielleicht macht uns genau das umso barmherziger, wenn wir merken, dass jemand es zwar gut mit uns meint, es aber nicht gut bei uns ankommt.
Der heutige Blog-Beitrag ist Ihnen zu philosophisch? Das ist zwar bedauerlich, aber Sie können sich sicher sein: Er war gut gemeint 😉
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